30.04.2022
Misericordias Domini 2022

„Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ Das ist die Antwort des Kain als Gott ihn nach seinem Bruder Abel fragt. Abel liegt tot auf dem Feld. Keiner ist sein Hüter gewesen. Keiner hat ihn behütet.

Mir geht ein Bild aus den ersten Kriegstagen der Angriffe auf die Menschen in der Ukraine nicht aus dem Kopf. Eine Frau kniet nach vorn gebeugt, von ihrem Schmerz fast zerstört, neben einem toten Menschen auf der Straße. Wie kann ich das Sterben verhindern, was kann ich tun, dass Mütter nicht mehr um ihre Söhne und Töchter weinen. Und ich meine nicht nur die Mütter in der Ukraine. Auch die Toten aus Russland, im Jemen, in Somalia…. haben Mütter und Väter. Auch ich habe zwei Söhne, die nur weil sie eben in Deutschland und nicht in einem Kriegsland leben, nicht in der Gefahr stehen als Soldaten sterben zu müssen. Wie kann ich meines Bruders Hüter sein? Ich kann das Sterben nicht verhindern. Das macht mich ratlos und traurig zugleich. Ich kann nur denen helfen, die dem Töten entkommen sind.

Zu den frühesten Darstellungen Jesu, in den Katakomben in Rom, zählt das Bild vom guten Hirten. Es ist das, nach der Darstellung des Kreuzes, am meisten verstandene Bild für Gott, der in Jesus Mensch geworden ist. Diese Aufgabe Jesu ist unsere Aufgabe geworden. Christen sollen Hüter sein.

Mir ist dieses Bild vertraut. Gegenüber meiner Dorfschule war ein Schäfer mit seinen Tieren untergebracht. Jeden Morgen öffneten sich die Stalltüren und er zog mit seiner Herde in die Weiten der Dübener Heide. Umsichtig hütete er seine Herde. Es ist ein Bild aus der guten alten Zeit.

Dieses Bild trage ich in mir. Einander gute Hüter sein. Was wäre wenn… sich die Mütter und Väter der Welt vereinen würden, um dem Töten ihrer Kinder Einhalt zu gebieten. Die Herzen für das zu öffnen, was dem Frieden dient. Die Gespräche in unserer Gesellschaft haben sich militarisiert. Visionen des Friedens im Osten Europas fehlen. Die Bilder in den Medien erzählen von den Schrecken, die der Krieg mit sich bringt. Lassen sie uns Bilder entgegensetzen, die von der Schönheit des Friedens reden. Krieg ist nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Krieg vernichtet alles, was uns wertvoll erscheint und tötet Menschen. Deshalb muss er beendet werden. Es zerreißt mich, weil ich nicht weiß, wie dies geschehen kann. Waffen oder nicht. So oder so werden wir schuldig.

Der heutige Sonntag erzählt von Jesus als dem guten Hirten. Der das Verlorene sucht und zusammenbringt. Lassen sie uns diesem Weg folgen. Machen wir den Frieden so schön, dass er verlockender wird, als der Kampf um die Macht.

Michael Wegner