25.04.2018
Interview mit Pfarrerin Madlen Goldhahn

Verstärkung für Verkündigungsdienst und Gemeindearbeit in Rudolstadt

Rudolstadt. Am 1. April hat Madlen Goldhahn ihren Dienst als Pfarrerin in Rudolstadt begonnen. Für die 39-jährige ist es die erste Pfarrstelle, die sie im Rahmen des Entsendungsdienstes übernimmt. Am 22. April wurde sie im Magdeburger Dom durch Landesbischöfin Ilse Junkermann ordiniert (siehe gesonderter Beitrag).
Ihr Vikariat absolvierte sie von 2014 bis 2018 im Kirchgemeindeverband Saalfeld, wo sie mit ihrem Mann und zwei Söhnen lebt und so in der Region keine Unbekannte mehr ist. Madlen Goldhahn verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Niederfrohna bei Chemnitz. Nach einem FSJ in Großbritannien und weiteren Reisen studierte sie zunächst Kultur- und Erziehungswissenschaften in Berlin und Leipzig und daraufhin evangelische Theologie ebenfalls an der Universität Leipzig.

Frau Goldhahn, zuerst einmal alles Gute und viele Segenswünsche zu Ihrer Ordination. Wie war Ihr Start in Rudolstadt und welche Eindrücke haben Sie bisher bekommen?

In meinem ersten Gottesdienst in der Stadtkirche wurde ich im kleinen Rahmen herzlich willkommen geheißen. Ich freue mich darauf, nun noch die einzelnen zu Rudolstadt gehörigen Gemeinden kennenzulernen, wenn wir gemeinsam Gottesdienst feiern oder in Ausschüssen zusammen tagen werden.
Mit meinen Kollegen, Pfarrer Stecher und Pfarrer Weiss und der Kirchmeisterin Frau Zeuner treffe ich mich regelmäßig zu Beratungen, was für die Einarbeitung hilfreich ist. Gern möchte ich zukünftig mit den Gemeindepädagoginnen zusammen tätig sein. Vorerst erarbeite ich mit Frau Eisner ein Raumkonzept für den Kirchhof 1, wo ein Ort der Begegnung für Familien und Jugendliche entstehen soll. Zukünftig wird dort auch mein Dienstzimmer für Gespräche zur Verfügung stehen.

Wie sieht Ihre künftige Arbeit aus?

Zum einen werde ich in den drei folgenden Jahren des Entsendungsdienstes mit einer halben Pfarrstelle meine Kollegen bei Gottesdiensten und Kasualien unterstützen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der familienbezogenen Gemeindearbeit. In der bevorstehenden GKR-Klausur werden wir herausarbeiten, was es heißt eine „familiengerechte Gemeinde“ zu werden. Das bedeutet auch die Fähigkeiten, Interessen und Herausforderungen, denen sich Familien im Alltag stellen müssen, wahrzunehmen und ein kontextbezogenes Konzept und Möglichkeiten der Begegnung zu entwickeln. Kirchengemeinden, die so arbeiten, befinden sich im Spannungsfeld von Gemeinwesenorientierung und Gemeindeorientierung. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, Gemeindeglieder anzuwerben. Mit dem Einnehmen einer familiengerechten Perspektive und dahin ausgerichtetem Engagement nimmt die Gemeinde ihre diakonischen Aufgaben und ihren Bildungsauftrag in der Gesellschaft wahr.

Auf welche Herausforderungen freuen Sie sich besonders?

In den kommenden Wochen habe ich viele Begegnungen mit kirchlich und kommunal engagierten Mitarbeitern geplant, um die diakonischen, sozialen und kulturellen Arbeitsfelder hier vor Ort kennenzulernen.
Ich hoffe, dass daraus Beziehungen erwachsen werden, die für die Vernetzungsarbeit eines familienorientierten Gemeindeaufbaus unabdingbar sind. Dabei ist mir schon eine Fülle von Angeboten für Kinder und deren Familien begegnet, die entweder gut frequentiert sind oder aber auch wieder aufgegeben werden mussten. Hier heißt es, an die Erfahrungen und sich verändernden Bedürfnissen von Familien anzuknüpfen. Unter Umständen mag das eine Veränderung des Gemeindekonzepts und der Begegnungs- und Angebotsmöglichkeiten bedeuten.
Die Auswertung der Prozesse in den Modellregionen der EKM für familienbezogene Arbeit hat klar gezeigt, dass es viel Zeit braucht und der „Erfolg“ an den Personen hängt, die sich dafür einsetzen. In Gemeinden, wo die Erkenntnis bereist gereift ist, dass es wichtig ist, sich auf den Weg zu einer familiengerechten Kirchengemeinde zu machen, ist es leichter, den Prozess anzustoßen als wenn es nur „mein Konzept“ wäre.
Ich wünsche mir, dass es in den nächsten Jahren gelingt, das ehrenamtliche Engagement zu stärken und Menschen Räume zu eröffnen, ihre Ideen einzubringen und das Leben zu gestalten.

Welche Erfahrungen konnten Sie während Ihrer Vikariatszeit sammeln?

Die wichtigste Erfahrung ist wohl, dass es Zeit braucht, eine Region und ihre Menschen und die Gegebenheiten vor Ort wahrzunehmen, einander zuzuhören und so kennenzulernen.
Zum anderen wurde mein jüngster Sohn wurde in der Vikariatszeit geboren, so dass ich nach einem Jahr Elternzeit nochmals mit einer anderen Blickrichtung auf das Gemeindeleben und die Strukturen sehen konnte. Es braucht m. E. nach regelmäßig diese Außenperspektive, sei es die eigene oder diejenige von Menschen, die nicht zur „Kerngemeinde“ gehören.
Damit einher geht auch eine Gemeindeanalyse, die zusammenträgt, was bereits existiert und bei Überlegungen hilfreich ist, wovon man sich verabschieden kann, damit Raum für Neues wird.
Sehr gute praktische Erfahrungen konnte ich während meines gemeindepädagogischen Projektes machen. Dabei waren Familien eingeladen, einen Nachmittag miteinander zu verbringen, der als kirchenpädagogisches und intergenerationelles Bildungsangebot in Kooperation von Kirchgemeinde und Ev. Kindergarten vorbereitet wurde.

Welche neue Ideen und Impulse würden Sie gern einbringen?

Ich wünsche mir, dass wir weiterführende Antworten und Ansätze u.a. auf folgende Fragen finden werden:

Ist die Kirchengemeinde attraktiv für Familien?
Fühlen sich Familien wahrgenommen und wertgeschätzt und in ihren Interessen von der Kirchengemeinde vertreten? Welche Frei- und Gestaltungsräume bietet Kirche Familien?
Was brauchen Familien, um sich in der Kirchengemeinde wohlzufühlen?
Was kann Gemeinde für Familien tun?

Material und Ideen dazu bringe ich mit, doch braucht es den gemeinsamen Gesprächsprozess. Unterstützt wird dies hervorragend durch das Pädagogisch-Theologische Institut (PTI) der EKM, der Ev. Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (eaf), aber auch dem neuen familienpolitischen Landesprogramm des Freistaates Thüringens.

Schließlich möchte ich noch die „innergemeindliche“ Perspektive einnehmen, wo ich eine meiner Aufgaben darin sehe, den Zusammenhalt zu fördern und das „Sendungsbewusstsein“ in einer stark säkularisierten Gesellschaft zu stärken. Welche Formen finden wir, dass sich Kinder und Erwachsene beispielsweise ihrer Taufe vergewissern können und in Fragen des Glaubens sprach- und urteilsfähig werden?
Hier spannt sich der Bogen wieder zur Familienorientierung hin, da schon früh anzusetzen. Mit dem bewährten Modell der „Familienkirche“ Gottesdienste zu feiern und so bereits in der Zeit zwischen „Taufstein und Zuckertüte“ gemeinsam auf die spannende Entdeckungsreise unseres Glaubens zu gehen.

Das Interview führte Ilka Jost
Foto: privat