25.06.2021
Der Weg zurück

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist schon erstaunlich, was und wie schnell jetzt wieder vieles möglich ist, nach dem wir uns viele Monate gesehnt haben: auch wenn noch nicht alles geht, kann man wieder zu den verschiedensten Gelegenheiten zusammenkommen, kleinere Feiern und Veranstaltungen sind möglich, wir fühlen uns freier und sicherer. Die Coronazahlen sind deutlich gesunken, viele Leute sind inzwischen geimpft. Der Weg zurück hat begonnen.

Aber bei allen tollen Lockerungen merke ich auch, wie bei mir und anderen noch eine gewisse Vorsicht oder ein Misstrauen besteht: bleibt das jetzt so? Oder wird noch einmal eine Zeit der Einschränkungen kommen? Darf ich jetzt wirklich das, was lange nicht ging? Die Seele kommt noch nicht so richtig hinterher, sie hatte sich daran gewöhnt, dass vieles nicht ging, nun muss sie sich (schon) wieder umgewöhnen.

Wir sind auf dem Weg, der zurückführt: aber was ist sein Ziel? Wie sehen denn die Freiheit und die Normalität aus, zu denen wir (wieder) auf dem Weg sind? Wollen und müssen wir wirklich alles zurück haben, was einmal war? Darauf wird jeder und jede eigene Antworten haben. Aber den Satz „ich will mein altes Leben wiederhaben“, oft gehört in diesen Zeiten und manchmal selbst gedacht, halte ich zumindest für problematisch. Denn der Weg zurück führt nie genau dorthin, wo ich schon einmal war.

Den Weg zurück gehen wir nicht nur jetzt, in diesen Wochen. Ich glaube, wir alle sind schon Wege zurück gegangen. Nach Zeiten, in denen wir besonderen Belastungen ausgesetzt waren. Wenn solche Zeiten zu Ende sind, muss man sich erst einmal sammeln. Begreifen: es ist vorbei, es ist gut ausgegangen oder zumindest viel besser geworden. Oder etwas hatte ein schlimmes oder trauriges Ende, ein Verlust, der bleibt, eine Veränderung, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Auch das muss begriffen und verarbeitet werden. Der Weg zurück führt nie genau dahin, wo ich einmal war.

Und doch wird immer neue Normalität einkehren. Wahrscheinlich oft anders als bisher. Wir dürfen den Weg gehen. „Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben“. Das heißt: wir dürfen neues Vertrauen ins Leben fassen. Der Weg zurück ist doch immer der Weg nach vorn. Auf ihm gehend, dürfen wir das Leben in all seiner Fülle erfahren, mit all seiner Schönheit und seinem Schmerz, mit aller Freude und mancher Traurigkeit auch. Wir dürfen leben.

Es grüßt sie ihre Pastorin i.R. Barbara Fischer aus Saalfeld