28.04.2023
Jesus täuscht vor

Wenn man Öl in ein Glas Wasser gießt, schwimmt es oben. Es löst sich nicht auf. So haben wir gelernt, wie man Jesus verstehen kann. In ihm ist Göttliches und Menschliches – wie Wasser und Öl in einem Glas. Es hängt aneinander, ist aber – wie die Flüssigkeiten – nicht miteinander vermischt. Mit solchen Bildern muss man sich helfen, um zu verstehen, inwiefern Jesus göttlich gewesen sein soll. Schwer, sich das vorzustellen. Leichter ist es mit den Momenten, wo er so richtig menschlich war. Einer meiner liebsten ist der:

Einmal hat Jesus zwei alte Bekannte getroffen; aber die haben ihn nicht erkannt. Zu dritt sind sie weitergelaufen und haben geredet bis abends, wo die zwei in ein Gasthaus wollten. Da haben die drei davorgestanden. Jesus hat sich nicht aufgedrängt. Aber er wollte gern bei ihnen bleiben. Denn in der Bibel steht: Er tat so, als wollte er weitergehen. Nur: Wenn er gehen gewollt hätte, hätte er’s einfach gemacht. So musste er einen Augenblick rauszögern. Solche Sekunden kenne ich: Man tut so, als ob man in der Tasche was sucht. Etwas unangenehm, aber menschlich. Was könnte Jesus gemacht haben? Steinchen aus den Sandalen geschüttelt? Nach dem Stand der Sonne geschaut, die Augen beschattet? Hat er eine Schnecke aufgehoben, um sie an den Wegrand zu tragen? Allein darüber nachzudenken, bringt ihn mir näher. Ihm waren selbst solche menschlichen Kleinigkeiten nicht fremd. Das hilft mir, sie gelassener anzunehmen. Und mit mehr Würde. Für mich eine göttliche Wirkung.

Gelassene Würde für IHRE unsicheren Momente wünscht Ihnen, Milina Reichardt-Hahn, evangelisch und Pfarrerin in Fambach