05.09.2024
Gedanken zur Woche - Wahr-Zeichen

Liebe Leserinnen und Leser!

der „Tag des offenen Denkmals“ steht in dem Jahr 2024 unter dem Motto „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte”.

So wie die ersten Schriftkundigen ihre Botschaften in Stein meißelten oder in Tontäfelchen ritzten, errichteten wir Kirchen, Triumphtore, Obelisken, Denkmale, Gebäude, die dem Betrachter schon von Weitem Hinweise auf Macht, Reichtum, gewonnene Freiheit und Ewigkeit geben sollten.
Sie stehen da und künden unabhängig von dem jeweiligen Zeitgeist der Betrachtenden von den Ansichten und Überzeugungen ihrer Erbauer.

Bei meinem ersten Gemeindebesuch in England fuhr meine Gastfamilie mit mir nach Coventry um mir die dortige Kathedrale zu zeigen.
Sie beobachten gespannt, wie ich auf dieses Wahr-Zeichen reagiere.
Es gab eine große neue Kathedrale, die sich von ihrem Baustil her der Welt öffnete.
Daneben stand die alte. Sie war eine Ruine.
Die deutsche Luftwaffe hat sie in der „Operation Mondscheinsonate“ am 14. November 1940 zerstört. Es war der erste Angriff aus der Luft der eine Stadt dem Erdboden gleich gemacht hat. (Mit „coventrieren“ wurde dann das Zerstören von Städten durch Angriffe aus der Luft mit dem Ziel wichtige Infrastruktur und die Moral der Bevölkerung zu zerstören, bezeichnet.)
Auch Ruinen sind WAHRzeichen für die Schrecken des Krieges und dafür, was wir Menschen uns gegenseitig antun können.

Als der Dompropst Richard Howard nach der Angriffswelle in die Überreste seiner Kirche ging,  zog er aus den am Boden liegenden Deckenbalken drei Nägel und formte sie zu einem altbekannten WAHRzeichen – einem Kreuz – zusammen. Er richtete das Zeichen der Nagelkreuzgemeinschaft auf, die weltweit für die Versöhnung unter uns Menschen eintritt.

Dieses Gemeinschaft trifft sich wöchentlich und spricht dabei in vielen Sprachen dies Gebet:
„Vater, vergib. Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,
Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr eigen ist,
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,
Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen,
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,
Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,
Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott. Vater, vergib.“

Diese Gemeinschaft hat übrigens für die Spenden zum Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche aufgerufen und deren Kuppelkreuz ist in der Kathedrale in Coventry geweiht worden.

Die Ruine der Kathedrale von Coventry, die Ruine der Frauenkirche von Dresden und ihr Wiederaufbau, das Kreuz: WAHRzeichen, die mich mit meinen Freunden in England mit denen ich mich weinend umarmen durfte, die mich mit allen, die nach wahrhaftiger, versöhnter  Gemeinschaft suchen, verbindet.