30.11.2024
Gedanken zum Advent 2024

Die Rückwand

Die Tür zum Wohnzimmer stand einen Spalt breit offen. Seit Tagen war meine Mutter beschäftigt, das Weihnachtszimmer zu schmücken und die Geschenke aufzubauen. Uns sechs Geschwistern war es streng verboten, auch nur die angrenzenden Räume zu betreten. So umwehte diese Zeit etwas geheimnisvolles, was meine Fantasie zu regelrechten Höhenflügen veranlasste.

Durch den geöffneten Spalt erkannte ich eine hölzerne Wand. Sofort war mir klar, dass es sich nur um die Unterbringung eines Ponys, welches ich mir sehnlichst wünschte, handeln konnte. Ich wusste auch schon, wie es aussehen würde. Mit hübschem Kopf, dunklem Fell und einer langen schwarzen Mähne. Ich war glücklich.

Im Zuge des Weihnachtsfestes entpuppte sich die hölzerne Wand als die Rückseite der Puppenstube meiner beiden Schwestern. Ich war gar nicht so enttäuscht wie man annehmen müsste. Meine Hoffnung war so stark, dass ich mir dachte, irgendwann wird es geschehen. Bis dahin lies ich meinen Gedanken freien Lauf was ich und das Pony so alles unternehmen würden.

In der Adventszeit verbindet sich unsere Hoffnung auf Gottes Gegenwart in der Welt mit der Erwartung des kommenden Friedens. Gegen die Dunkelheit. Wenn wir am ersten Advent beten, bitten wir Gott, das er uns befreie aus der Gewalt des Bösen. Dass seine Verheißung vom Frieden auf Erden die Herzen der Mächtigen erreiche und vom Krieg zum Frieden wende. Die Zeichen dafür stehen schlecht. Mancher Hoffnungsschimmer hat sich als Irrlicht herausgestellt. Aber wir dürfen unsere Hoffnung nicht aufgeben. Nicht unsere Hoffnung für den Frieden in der Welt und nicht unsere Hoffnung für den Frieden unter uns und in uns. Wie wird es sein, wenn wir in Frieden miteinander leben werden?

Malen wir es uns aus in fröhlichen Bildern. Die Hirten in der Weihnachtsgeschichte kehren froh nach Hause zurück. Noch ist alles wie früher, aber ihre Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden ist stark geworden. Frieden und Gerechtigkeit sind möglich. Tun wir alles dafür, was wir tun können? Im Advent öffnet sich die Tür zum Fest des Friedens ein erstes Stück. Lassen wir unsrer Fantasie freien Lauf, sich Frieden und Gerechtigkeit auszumalen. In aller Dunkelheit leuchtet dieses Licht. Schauen wir nicht weg, sondern folgen wir dem Stern. Am Ende wird Frieden und Gerechtigkeit sein.

Übrigens haben meine Eltern uns sechs Geschwistern Jahre später ein Pony gekauft. Da wir kein Auto hatten, wohnte es in der Garage.

Michael Wegner