26.11.2021
Zum Advent

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinden,

der Klang der Glocken ist die Stimme unserer Kirchen in die Welt.

„Was sagen denn die Glocken?“ So fragte ich meine Mutter, als ich ein Kind war. Sie schaute mich nur kurz an und sagte dann in großer Selbstverständlichkeit: „Sie sagen „Gott ruft“. Das hat mir damals so eingeleuchtet, dass ich von da an diesen Ruf der Glocken immer mit diesen Worten verbunden habe.

1998 war ich in den Alpen. Es war das letzte Wochenende meiner Zeit dort in den Bergen. Sonntagvormittag war ich auf der Piste am Hausberg. Tolles Wetter, guter Schnee. Das wollte ich nicht verpassen. Ich habe mir dann das Kreuz- und Innenband bei einem Sturz abgerissen. Als ich meinen Bruder anrief, sagte er, bevor er mir zur Hilfe eilte: „Was hat ein Pfarrer am Sonntagvormittag auf der Piste zu suchen? Die Glocken haben doch geläutet. Gott hat gerufen.“

„Gott ruft“, er ruft uns heraus aus unserem Alltag. Aus unseren Sorgen, enttäuschten Hoffnungen, aus unserer Hast und Rastlosigkeit. Aus unserer Angst das Leben zu verpassen.

Gott lädt uns ein. In sein Haus, zu seinem Wort. Zu all dem, was unserem Leben Richtung und Ziel gibt. Gott lädt uns ein zur Dankbarkeit für alles, was uns anvertraut ist. Unsere Sehnsucht findet ihr Ziel bei Ihm, der unseres Lebens Mitte sein will.

In der Geschichte vom verlorenen Sohn steht der Vater auf der Straße und wartet auf den Sohn. Ich stelle mir vor, wie sein ganzes Herz nach ihm ruft. Ihm, der verloren gegangen ist in der Welt.

Heute sind es die Glocken, die Menschen rufen.

Sie singen von der Gegenwart Gottes in einer Welt, die dabei ist, dies zu vergessen.

Nie waren Glocken wichtiger als heute. Die Kirchengemeinde hier in Bad Blankenburg, mit dem Kirchbauverein, dem Gemeindekirchenrat, mit ihrem Pfarrer und den anderen Mitarbeitern, hat das so empfunden. Natürlich hätte man auch noch warten können. Aber manchmal ist der Wunsch etwas zu gestalten so groß, dass er ganz neue Kräfte weckt. Die Gemeinden in unserem Kirchenkreis haben ihre Bemühungen gespürt und auch etwas vom gemeinsam verwalteten Geld beigetragen.

Nie waren Glocken wichtiger. Sie rufen uns zum Gottesdienst, zum gemeinsamen Gebet. Sie begleiten uns auf den wichtigen Stationen unseres Lebens. Sie geleiten uns auf unserem letzten irdischen Weg. Wie der Vater in der Geschichte schaut Gott nach uns aus. Die Glocken geben der Liebe Gottes eine Stimme, die wir und alle Menschen in dieser Stadt, in jeder Stadt und unseren Dörfern, hören können. Wenn heute die Glocken läuten, sollen wir diesem Ruf folgen. Dem Ruf eine Gemeinschaft zu sein, die gerade in diesen Tagen wo so viel an Gemeinschaft nicht möglich ist, verbunden bleibt im gemeinsamen Glauben, in der gemeinsamen Hoffnung, in der Fürsorge und Umsicht füreinander. Eine Gemeinschaft, die Gott mit seinem Heiligen Geist immer wieder neu zusammenführt.

In der Adventszeit läuten Sie das Kommen unseres Herrn ein. Weihnachten verkündigen sie, dass Gott Mensch geworden ist, in der Epiphanias Zeit läuten Sie vom Licht das in die Welt gekommen ist, in der Passion mahnen sie uns, an die dunklen Seiten in uns zu denken. In der Osterzeit verkünden sie die Auferstehung Christi. Pfingsten verkünden Sie die Geburt seiner Kirche im Heiligen Geist. An jedem weiteren Sonntag rufen sie uns zum Gebet und am Ende des Kirchenjahres gedenken wir bei ihrem Klang an die, die vor uns auf dem Weg in Gottes Reich gegangen sind.

Das sagt uns der Klang der Glocken. Und jede hat dabei ihre unverwechselbare Stimme. So wie hier in Bad Blankenburg.

Die kleinere Glocke, die wir an ihrem helleren Klang erkennen, erzählt uns von dem einen Herrn, dem einen Glauben, der einen Taufe und dem Gott, der unser aller Vater ist.

Die große Glocke verheißt uns, dass Gott uns erhört, wenn wir ihn bitten. Das er am Ende unserer Suche steht, dass er uns einlässt, wenn wir an seine Tür klopfen.

Es steht in großen Buchstaben auf jeder von ihnen, damit sie es auch ihren Kindern und Enkeln zeigen können.

Vergessen wir es nicht. Tragen wir es auch weiter zu den Menschen, die Gott nicht kennen. Viele von diesen Menschen fragen sich vielleicht wie ich, als ich ein Kind war. Was bedeuten die Glocken? Ich würde ihnen antworten, wie es meine Mutter damals zu mir sagte. Die Glocken sagen: „Gott ruft!“. Vielleicht der Anfang eines längeren Gespräches.

Amen


Predigt anlässlich der Glockenweihe am 28.11.2021 in der Nicolaikirche Bad Blankenburg, gehalten von Superintendent Michael Wegner