28.01.2021
„Müde Hände?“

Es sind meine Hände, die nun müde geworden sind. Nach zehn Monaten der Desinfektion schält sich die Haut und zeigt Risse. Es ist nicht schlimm und mit einer Salbe gut zu behandeln. Aber es ist für mich ein Zeichen wie es mir und vielen in unserer Gesellschaft geht. Wir sind der Pandemie müde geworden. Immer neue hohe Infektionszahlen, die Verlängerung der Maßnahmen, der Verzicht auf Nähe und so vieles bis vor kurzem Selbstverständliche lassen uns verzagt werden. Hatten wir im letzten Frühjahr die Hoffnung, das die Normalität vor der Pandemie bald wieder normal sein würde, merken wir heute, dass sich vieles verändert, manche vor völlig neuen Lebensentwürfen stehen. Nicht alles wird so sein wie früher. Eine Krise ist eine Krise und hat erst einmal nichts Gutes. Vielleicht sollte ich das erst einmal ernst nehmen. Aufmunternde Reden klingen in der derzeitigen Situation hohl. Gerade im Angesicht der vielen Menschen die Angehörige zu beklagen haben, die selber von Trauer und Einsamkeit betroffen sind. Es braucht jetzt Geduld. Aber Geduld braucht Kraft. Woher soll sie kommen, die Kraft zur Geduld? Ich bin denen dankbar, die sich als Seelsorger, als Mitmenschen der Einsamkeit von Menschen in den Weg stellen und sie in ihrer Not begleiten. Auch dazu braucht es Kraft. Viele dieser Begleiter sind Christen, die ihre Stärke aus ihrem Glauben schöpfen. Christsein ist keine Weltanschauung. Es ist eher eine Erfahrung oder ein Betroffensein. Das da jemand ist, jemand, der mir Freiräume gibt, indem er mich annimmt. Ganz nah bei mir ist etwas, dass mich spüren lässt, ich bin nicht allein. So wie Licht in die Dunkelheit leuchtet. In alle meine Fragen, in alle meine Freuden und in alle meine Nöte. Wenn Gott uns in den vergangenen Zeiten immer wieder geholfen hat, wird er es auch in den kommenden Zeiten tun. Das ist die radikale Hoffnung von der die Bibel erzählt. Es sind nicht ausgeklügelte Fabeln denen Christen folgen. Es ist ihre Erfahrung, dass bei aller Dunkelheit, die die Zukunft natürlicherweise in sich hat, das Licht scheint, und wie die Bibel sagt, solange bis der Tag anbricht. Die Zukunft ist dunkel. Niemand kann sagen, ob die Maßnahmen wirklich helfen, ob sich das Virus in veränderter Form noch mehr ausbreitet. Aber meine Hoffnung ist, dass nach dem Dunkel das Licht eines neuen Tages anbrechen wird. Ich weiß nicht, wie dieser Tag aussehen wird. Aber ich glaube, dass auch dieser Tag in Gottes Händen steht. Bis dahin gilt es, das Notwendige zu tun. Menschen nicht allein zu lassen. Traurige zu trösten. Miteinander achtsam zu sein. Eine neue Form der Nähe suchen. Das Licht in mein Herz zu lassen.