16.03.2021
Lätare

Predigt zu Joh. 12, 20-24

Gnade sei mit euch und Friede, von dem der da ist, der da war und der da kommt. Amen

„Herr, wir wollen Jesus sehen.“


Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

ich hatte einen Konfirmanden. Auf die Frage, ob er an Gott glaube, antwortete er freimütig: „nein“.

Nach einer kurzen Pause sagte er: „Wenn ich in der Kirche bin, glaube ich an Gott“. Er war immer wieder dort in der Kirche anzutreffen. Er kam mit seiner Familie aber oft auch allein.

Mich hat bei der Vorbereitung des heutigen Gottesdienstes dieser Satz aus dem Evangelium, welches heute auch der Predigttext ist, nicht losgelassen. „Herr, wir wollen Jesus sehen.“

Ich bin bei dem Gedanken und der Frage stehengeblieben, warum uns und vielen Christen in unseren Gemeinden der Gottesdienst so wichtig geworden ist. Warum ist es uns so wichtig, gerade in diesem Jahr welches die Pandemie nun dauert, Gottesdienste in unseren Kirchen zu feiern. Warum hatte uns das Versammlungsverbot in unseren Kirchen im letzten Jahr so besonders getroffen? Es ist gut, dass wir nun wieder, in einer großen Eigenverantwortlichkeit, als Gemeinden in unseren Kirchen Gottesdienst zusammen feiern. Der Gemeindegesang fehlt. Mich schmerzt in diesem Jahr diese Lücke. Die singende Gemeinde hat mir, mehr als mir bisher bewusst war, die einzelnen Zeiten des Kirchenjahres in mein Herz fließen lassen. Ich singe natürlich die Lieder immer wieder vor mich hin. Ich höre gern die klassische Musik der einzelnen Zeiten des Kirchenjahres. Aber es kann den Gesang mit Ihnen, der Gemeinde, im Gottesdienst nicht ersetzen.

„Wir wollen Jesus sehen…“ Dieser Satz fasst für mich zusammen, was uns hier und heute zusammengeführt hat.

Wir schauen gemeinsam auf den Altar. Das Licht der Kerzen erhellt unsere Augen. Die Schönheit des Raumes ist ein Bild der Schönheit dessen, was Gottes Gegenwart bedeutet. Die Töne von Gesang und Orgel erfüllen den Raum.

Gut, dass es sie gibt. Unsere Kirchenmusiker. Sie lassen das gesungene Gebet erschallen und machen so unsere Herzen froh. Eine Sehnsucht erfüllt unsere Herzen. Die Pandemie hat uns verunsichert. Unser Vertrauen in die Planbarkeit und Berechenbarkeit der Zukunft ist erschüttert.

„Wir wollen Jesus sehen“

Es sind Griechen, die nach Jerusalem gekommen sind, um anzubeten, die Jesus sehen wollen. Griechen?

Immer wieder wird gefragt, ob Jesus die Kirche wollte. Oder ob nicht eine ungünstige Verkettung von Ereignissen die Christen aus der engeren Gemeinschaft des Volkes Israel herausgelöst hat. Jesus ist Jude. Seine Botschaft wendet sich zuerst an sein eigenes Volk Israel. Er diskutiert mit den Gelehrten seines Volkes über den Glauben. Und doch gibt es in den Evangelien immer wieder Zeichen der Öffnung. Da ist der Hauptmann von Kapernaum, die kananäische Frau, da ist der Hauptmann unter dem Kreuz. Jesus verweigert sich ihnen und ihrem Glauben nicht. Der Taufbefehl öffnet endgültig das Tor zur Welt. „…. Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Es sind Griechen, die nach Jesus fragen. Philippus weist sie nicht ab. Jesus antwortet ihnen. Was er sagt, klingt so einleuchtend, dass dieser Vers es geschafft hat, zum Wochenspruch zu werden. 2000 Jahre danach an einem Ort 4020,6 km entfernt hören wir ihn heute.

Wollte Jesus die Kirche? Ich weiß es nicht wirklich. Aber ich glaube, dass er wollte, dass auch wir zu Gott finden. Ekklesia – die Herausgerufene. Eine weltweite geistliche Gemeinschaft des Volkes Gottes. Ich glaube mit dem Zeugnis der Bibel, dass wir nun mit dem Volk Israel zu seinem Volk gehören. Die äußere Form seiner Kirche wird immer wieder neu zu bedenken sein. Aber immer beginnt Kirche mit der Bitte an Gott, der Bitte jener Griechen: „Herr, wir wollen Jesus sehen.“

Doch zurück zur Antwort Jesu. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Unser Vertrauen in die Zukunft ist durch die Pandemie erschüttert. Tests und Impfungen werden unsere Welt vielleicht etwas sicherer machen. Aber sie werden nicht unser Heil sein.

Unser Heil liegt in diesem Weizenkorn von dem Jesus redet. Einem Korn kann man nicht ansehen, ob und wieviel Frucht es bringen wird. Es geht als seine Kirche darum, ihm nachzufolgen. So wie er gekreuzigt, gestorben und begraben. Hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, so sind auch wir in unserer Taufe mit ihm begraben und werden mit ihm auferstehen. Wir folgen seinem Weg. Der Glaube und unser Vertrauen zu Gott, der die Zeit in seinen Händen hält, sind das Weizenkorn. Wir können dies nicht verschweigen. Wir können es in uns aufnehmen und wachsen lassen. Es bleibt nicht allein, sondern weckt in unseren Herzen Licht, Hoffnung und Zuversicht. Es öffnet unsere Augen für die Gegenwart Gottes.

Mein Konfirmand geht heute noch in die Kirche. Seinen Sohn habe ich vor 22 Jahren getauft. Ich hatte ihn nicht wiedererkannt als wir uns trafen. Aus dem damaligen „Nein, nur wenn ich in der Kirche bin.“ ist ein Leben voller Glauben geworden.

Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussieht. Getragen sind wir von der unbedingten Hoffnung, dass Gott auch in Zukunft uns begleitet. Die Pandemie hat die menschliche Planbarkeit der Zukunft auf eine harte Probe gestellt. Vielleicht wird etwas sichtbar werden, was wir noch gar nicht im Blick haben. Aber dass Gott uns auch auf neuen Wegen begleitet und führt, ist unsere Zuversicht.

„Herr, wir wollen Jesus sehen.“ AMEN

Michael Wegner
- Superintendent -


Foto: Kirche Liebenrode, Bild: Michael Wegner