12.05.2022
Genesung braucht Zeit

Aktionswoche Alkohol vom 14. bis 22. Mai 2022

Diakonie Suchtberatungsstelle in Saalfeld- Rudolstadt erster Anlaufpunkt für Betroffene und Angehörige

„Ich bin Thomas (Anm.: Name von der Redaktion geändert), 53, Alkoholiker. Trockener Alkoholiker. Das soll nicht heißen, dass ich es für immer geschafft habe, dass ich nie wieder trinke. Aber ich habe viel erreicht.“

Der schlanke Mann mit den freundlichen braunen Augen lächelt. Er berichtet, einen „langen Weg“ hinter sich zu haben.

„Schon in der Lehrzeit habe ich angefangen zu trinken, das war normal, hat dazugehört, dann später auch, als ich bei der Armee war. Danach lernte ich meine zukünftige Frau kennen. Als der zweite Sohn geboren war, begannen wir mit dem Hausbau. Familie, Arbeit, Bau, es war viel zu viel. Ich habe 16 Stunden am Tag gearbeitet, wollte, dass alles perfekt läuft. Schon damals habe ich gemerkt, dass ich mit genug Bier intus besser zur Ruhe kam und einschlafen konnte. Es wurde immer mehr, irgendwann habe ich angefangen, schon morgens zu trinken, zur Entlastung und Entspannung. Meine Frau und ich stritten oft, die Kinder interessierten mich kaum, der Alkohol wurde zu meinem Lebensmittelpunkt. Wichtig war nur noch, woher ich genug ‚Stoff‘ bekam, wie ich unkompliziert Leergut entsorgen konnte – und vor allem den Schein nach außen wahrte. Das war Stress pur. Und das Schlimmste: Ich habe nicht eingesehen, dass ich viel zu viel trinke und Hilfe brauche. Denn ich war überzeugt davon, dass ich mein Trinken im Griff hatte. Dann reichte meine Frau die Scheidung ein, ich überließ ihr das Haus und die Kinder. Ich widmete mich voll und ganz dem Alkohol. Letztlich erschien ich mehrfach alkoholisiert auf Arbeit, verlor meinen Job, lag nur noch besoffen in meiner verwahrlosten Wohnung. ,Aufgewacht` bin ich, als mich meine Kinder so sahen und den Kontakt komplett zu mir abbrachen.“

Thomas fällt es sichtlich schwer zu sprechen. Bemüht, die Tränen zu verbergen redet er leise, stockend weiter.

„Ich habe mich so geschämt. Dann nahm ich allen Mut zusammen und rief bei der Suchtberatungsstelle an. Es war so gut, endlich mal reden zu können, ich beschönigte nichts. In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass ich professionelle Hilfe benötige und Genesung Zeit braucht.“

Thomas ist einer von etwa 1,6 Millionen alkoholkranken Menschen deutschlandweit. Die Dunkelziffer liegt vermutlich um ein Vielfaches höher. Und er ist einer, der sich Hilfe geholt hat und es schaffte, aus der Sucht auszusteigen.

„Erster Anlaufpunkt war für mich die Diakonie Suchtberatungsstelle in Saalfeld, dort habe ich Verständnis und keine Vorwürfe bekommen.“

Seit nunmehr 30 Jahren ist die Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtkranke, Suchtgefährdete und Angehöriger erster Anlaufpunkt für Menschen mit unterschiedlichsten Suchtproblematiken, wie Alkohol- und Drogenabhängigkeit, pathologisches Glücksspiel, exzessive Mediennutzung oder Essstörungen.

So nutzten 605 Klienten im Jahr 2021 das umfassende kostenlose Angebot der Beratungsstelle. Die Beratung durch qualifizierte Fachkräfte erfolgt streng vertraulich und unterliegen der Schweigepflicht. Sie sind unabhängig von Alter, Geschlecht, Familienstand, Glaube, Nationalität etc.

Neben Betroffenen lassen sich auch Angehörige von suchtkranken oder suchtgefährdeten Menschen beraten, möchten wissen, wie sie einen geliebten Menschen unterstützen können, aus der Sucht auszusteigen. Oder was sie für sich tun können, um sich besser abzugrenzen, nicht selbst an der Sucht und den daraus resultierenden Belastungen, die Angehörige jeden Tag zu bewältigen haben, zu erkranken.

Ziel ist die Unterstützung der Hilfesuchenden auf dem Weg zu mehr Lebensqualität und Abstinenz, die Vermittlung von Informationen, das Aufzeigen von Hilfsmöglichkeiten. So werden Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlungen vermittelt, oder nach stationärer Therapie eine fortführende Begleitung angeboten. Beratungen nach suchtmittelbedingtem Führerscheinverlust gehören ebenso zum Spektrum wie die Kontaktaufnahme zu Ämtern und Behörden bei der Bewältigung sozialer Notlagen.

Die Klienten werden in Einzelgesprächen beraten. Im Laufe der Jahre etablierten sich zusätzlich verschiedene Gruppenangebote, unter anderem zwei angeleitete Betroffenengruppen und eine Angehörigengruppe. Die Zusammenarbeit mit Eltern und Bezugspersonen für suchtgefährdete Kinder und Jugendliche ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Beratungsstelle.

Die Mitarbeiter kooperieren zudem mit zahlreichen Netzwerkpartnern im Landkreis. So besteht eine engmaschige Zusammenarbeit mit verschiedenen Einrichtungen des Suchthilfesystems, Ärzten, Behörden, Fachberatungsstellen oder Kosten- und Leistungsträgern.

Auch die Suchtprävention, nicht nur in Schulen, sondern auch im Rahmen der Erwachsenenbildung in den verschiedensten Bereichen ist ein wichtiger Teil der Arbeit.

Die Psychosoziale Beratungsstelle finden Sie in Saalfeld, Brudergasse 18, Telefon: 03671 52565111

Montag 8.00 – 15.00 Uhr
Dienstag 8.00 Uhr – 12.00 Uhr und 13.00 –18.00 Uhr
Mittwoch nach Vereinbarung
Donnerstag 8.00 – 12.00 Uhr und 14.00 – 18.00 Uhr
Freitag 8.00 – 12.00 Uhr

Für die Außenstelle in Rudolstadt, Jenaische Straße 1, erfolgt die Anmeldung über die Hauptstelle in Saalfeld.
Eine vertrauliche Online-Beratung ist möglich unter www.diakonie-wl.de.
Weitere Informationen sind auf der Homepage zu finden.

In der Arbeit mit suchtkranken Menschen zählen schon kleine Schritte. Und dennoch kann jeder Betroffene viel erreichen. So wie Thomas.