19.06.2021
3. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zu Lukas 15 1-32

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Amen

Liebe Gemeinde, liebe Brüder und Schwestern,

meine Auslegung bezieht sich heute mehr auf das Umfeld Jesu in der damaligen Zeit, um sich einfach mal mit den damaligen Verhältnissen vor über 2000 Jahren vertraut zu machen.

In unserem Predigttext geht es um Gleichnisse, die viele schon einmal gehört haben. Und wer von Ihnen weiß, dass es in den ersten drei Evangelien insgesamt 41 Gleichnisse gibt. Sie sind ein Stück Urgestein der Überlieferung.

Übersetzt aus der Muttersprache Jesu, die galiläisch-aramäisch war. In den ersten Schriften hebräisch-aramäisch niedergeschrieben, danach ins Griechische übersetzt und dann für uns ins deutsche.

Diese Gleichnisse von denen Jesus spricht, sind aus dem damaligen Leben gegriffen und sollten doch die jeweiligen Zuhörer zum Nachdenken oder zum Grübeln anregen.

Wir kennen in unserer Bibel die Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes und wenn man jedes Gleichnis mit demselben Inhalt vergleicht, sind sie doch unterschiedlich zu lesen. Das kommt daher, dass sie zu unterschiedlichen Zuhörern gesprochen wurden. So zu den Pharisäern, an die Schriftgelehrten und Oberpriester, an die Ältesten, an die Gegner Jesu, an die Jünger und an das Volk.

In unseren heutigen Gleichnissen geht es um Verlust und Wiederfinden und die große Freude, die daraus entsteht.

Wir hören aus dem Lukasevangelium Kapitel 15

Es nahten sich Jesus alle Zöllner und Sünder, um ihn zu hören.
Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.
Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach:

Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er‘s findet?
Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schulter voller Freude.
Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war.
Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.
Oder welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet?
Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir;
Denn ich habe meinen Silbergroschen (Drachme) gefunden, den ich verloren hatte.
So sage ich euch, ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.

Ganz menschlich spricht hier Jesus vom Himmel. Nur einmal wird der Himmel genannt und nur einmal die Engel Gottes. Es wird keine große Welt aufgezeigt, sondern die kleine, alltägliche Welt der Arbeit und der Unvollkommenheit. Es ist aber auch die Welt der großen Gefühle.

Liebe Brüder und Schwestern,

die Größe einer Herde Schafe schwankt bei den Beduinen zwischen 20 und 200 Stück Vieh. So kann man sich vorstellen, wenn ein Mann also 100 Schafe hat, ist es nach jüdischem Recht eine Herde mittlerer Größe. Er betreut sie selbst, weil er sich kein Personal zum Hüten leisten kann.

Der Hirt pflegt, seine Herde zu zählen, wenn er sie gegen Abend in die Hürde treibt, um sich zu vergewissern, dass kein Tier abhandengekommen ist. Die Zahl 99 weist eben auf so eine Zählung hin. Nicht der Wert dieses Tieres veranlasst den Hirten das Tier zu suchen, sondern die Tatsache, dass das Tier ihm gehört und ohne seine Hilfe nicht zur Herde zurückfindet.

Denn es wissen nicht viele, dass ein von der Herde entlaufenes Schaf, sich mutlos niederlegt und sich nicht mehr bewegt, geschweige denn aufsteht und weiterläuft. Es bleibt dem Hirten nichts anderes übrig, wenn er es gefunden hat, das Tier bei längeren Strecken auf der Schulter zu tragen. Mit einer Hand die Vorder- und Hinterfüße festhält und mit der anderen Hand den Hirtenstab. Sofort macht sich das Bild des „Guten Hirten“ im Hinterkopf sichtbar, welches wir mit dem Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte“ in Verbindung bringen.

So auch das Gleichnis von dem verlorenen Silbergroschen (Drachme).

Mir war es bisher unbekannt, dass in der arabischen Welt, der mit Münzen besetzte Kopfschmuck der Frauen, ihr kostbarster Besitz ist, der zum Brautschatz gehört, aber auch als Notgroschen dient. Dieser Kopfschmuck wird auch während des Schlafens nicht abgelegt.

Die Frau in unserem Gleichnis war eine sehr arme Frau, denn sie hatte nur zehn Silbergroschen. Im Vergleich zu den Frauen im heutigen Orient, die hunderte von Gold- und Silbermünzen als Kopfschmuck tragen.

Diese arme Frau verlor einen Silbergroschen von ihrem Kopfschmuck und sie ist verzweifelt, traurig, aber nicht ohne Hoffnung ihn wiederzufinden. Diese Frau zündet ein Licht an, nicht weil es Nacht ist, sondern weil die armselige, fensterlose Behausung nur wenig Licht durch die niedrige Tür hereinlässt. Und sie fegt das Haus mit einem Palmenzweig, weil der Fußboden aus Felsen besteht und man beim Fegen die Münze im Dunkeln klirren hört.
Die Freude über das Finden des Verlorenen steht hier im Vordergrund und das soll gefeiert werden. So wird sich Gott mehr freuen über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 anständige Menschen, die keine groben Sünden begangen haben.

Freude. Von ganz viel Freude erzählt Jesus. Der Mann trommelt die Nachbarschaft zusammen und sagt: Freut euch mit mir.
Die Frau, ihre Nachbarinnen und Freunde.
Heißt es nicht so schön: Geteilte Freude ist doppelte Freude.

Erzählen zu dürfen, wie man sich auf den Weg gemacht hat, um etwas zu finden, was man verloren hat, tut einfach gut. Etwas wieder und wieder zu erzählen, es zu wiederholen, bedeutet etwas groß zu machen und zu wissen: das kann wieder so sein!

Und so schiebt sich auch das dritte Gleichnis, das Lukas erzählt in dieses Bild.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Es könnte auch heißen „Das Gleichnis von der Liebe des Vaters“. Auch diese Geschichte ist aus dem Leben gegriffen.

Der jüngere Sohn will also abgefunden werden und möchte sich eine eigene Existenz aufbauen. Verlockend waren damals die günstigen Lebensbedingungen in den Handelsstädten der Levanten.
Doch es ging schief und als eine Hungersnot hereinbrach, musste er sich mit unreinen Tieren befassen. Er konnte den Sabbat nicht heiligen, das heißt, er ist auf das tiefste erniedrigt und praktisch gezwungen, seine Religion ständig zu verleugnen.
Und er hätte sich am liebsten den Bauch vollgeschlagen mit den Johannisbrotschoten, mit denen die Schweine gefüttert wurden, wenn er sich nicht zu sehr geekelt hätte, und niemand gab ihm zu essen. Er ging in sich. Ein Ausdruck für „Buße tun“.
Er will sich aufmachen zu seinem Vater. Er will sich Nahrung und Kleidung verdienen, denn nach seiner Abfindung hat er keinerlei Anspruch mehr darauf.

Der Kuss des Vaters ist das Zeichen der Vergebung. Nicht wie ein Tagelöhner, sondern wie einen Ehrengast behandelt der Vater den Heimgekehrten. Die Schuhe sind in der damaligen Zeit Luxus und der Vater möchte nicht, dass der heimgekehrte Sohn wie ein Sklave barfuß laufen muss.

Und Fleisch wurde damals nur sehr selten gegessen. Die Schlachtung eines Mastkalbes bedeutet ein Freudenfest für Haus und Gesinde und die feierliche Aufnahme des heimgekehrten Sohnes in die Tischgemeinschaft.

Alle sollen es zur Kenntnis nehmen – das öffentliche sichtbar machen, der Vergebung und die Wiederherstellung der Kindesstellung.
Der ältere Sohn überhäuft den Vater mit Vorwürfen, doch dieser redet ihm liebevoll zu. „Du müsstest jubeln und dich freuen“, es ist doch dein Bruder, der heimfand.“

Mitfreude macht Freunde. Mitfreude macht auch Freunde Gottes, sagt Jesus. Hört auf zu murren, ihr Pharisäer und Schriftgelehrten. Setzt euch dazu und feiert mit! Und ihr Zöllner und Sünder und Sünderinnen – merkt ihr, wie die Freude im Himmel jetzt schon beginnt, wenn ihr hier und jetzt mit mir zu Tisch sitzt? Euch dabei zu haben, bedeutet mir und meinem Vater sehr viel.

Denn so ist Gott. So gütig, so gnädig, so voll Erbarmen, so überfließend von Liebe.

Und der Friede Gottes welcher höher ist als all unsere menschliche Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen

Gemeinsam singen wir das Lied: „Lobe den Herrn, den mächtigen König“ Strophen 1 bis 5

Fürbittgebet 3. Sonntag nach Trinitatis

Das Freude wachse und aufblühe,
dass das geschehe wie im Himmel so auf Erden,
darum bitten wir dich.

Dir ans Herz legen wir Menschen, die nach dir fragen und dich suchen.
Dir vor Augen stellen wir Verantwortliche in Kirche und Politik weltweit.
In Deine Hände befehlen wir Kranke und Deprimierte,
Menschen, die kämpfen – mit sich, mit anderen oder mit dir,
Sterbende und Trauernde.

Nimm Dich ihrer und unserer gnädig an.
Deine Freude verwandle alle Tränen in Lachen!
Gemeinsam bitten wir darum, dass du vollenden mögest, was du längst angefangen hast und beten:

Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.

Sendung und Segen

Gehet hin in Frieden des Herrn …
Gott sei Lob und Dank

Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und
sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.


Gemeinsam singen wir das Lied: „Ins Wasser fällt ein Stein“
die Strophen 1 bis 3