17.05.2022
Wut und Mut

Die Hoffnung hat zwei Kinder: Mut und Wut. 
Mut ja. Aber Wut? 
Ja, Jesus ist wütend. Er kommt hierher, um zu beten und dann...!
Wie es hier aussieht! Dieses Chaos! 
Und dieser Lärm, alle schreien sie durcheinander! 
Überall Verkaufs-Stände, Leute feilschen und streiten, Leute zählen Geld, dazwischen Tauben und Taubenkot...
Er traut seinen Augen nicht. Ein Gotteshaus ist doch kein Jahrmarkt! 
Wie wütend ihn das macht!
Mühsam bahnt er sich einen Weg durch die Menschenmassen. 
In ihm brodelt und kocht es.
Als er direkt vor einem Geldwechsler-Stand landet, reicht es ihm:
Er packt den Tisch und schmeißt ihn um. Und – nun ist er einmal in Schwung – er packt auch den nächsten... und den übernächsten... und den überübernächsten...   
Es wird still um ihn herum. Nur Taubenflattern ist zu hören. Und das Poltern der Tische, einer nach dem anderen... 
Bis er alle umgeworfen hat. 
Nun ist wirklich Ruhe. Endlich. Niemand traut sich, etwas zu sagen. 
Nur er spricht in die Stille hinein, klar und deutlich, und seine Stimme klingt immer noch zornig:   
Gottes Haus ist zum Beten da und keine Räuberhöhle! 
Es bleibt ruhig. Sie sind gegangen. 
Nach und nach kommen andere. Nicht zum Einkaufen oder Geld-Tauschen. Zum Beten. Judith, die Blinde, kommt so gerne hier her. Und auch Samuel kommt angehumpelt. 
Und Jesus? 
Er betet mit ihnen. Dann legt er ihnen die Hände auf und heilt sie.      
Die Hoffnung hat zwei Kinder: Mut und Wut. Wut über Dinge, wie sie sind, und Mut, sie zu ändern. 

Eine gute Nacht und Mut für morgen  
wünscht Angela Fuhrmann, ev. Pfarrerin in Gotha