02.09.2022
Unter dem Sternenhimmel
Als er nach der vierten OP wieder nach Hause entlassen wurde, hatte er die Nase gestrichen voll. Kein Krankenhaus mehr, bitte, betete er innerlich. Es reicht. Einfach wieder zuhause sein dürfen, in meinem Dorf. Da ist Ruhe, da kenne ich mich aus, da ist mir alles vertraut.
Wie gut das ist.
Seine Frau sagt: „Wir gehen ein paar Schritte. Nur bis zur Bank.“ Er brummelt missmutig. „Doch, komm, das tut dir gut.“ Er willigt ein. Sie ziehen die Jacken an und gehen los. Langsam, Schritt für Schritt. Der Atem muss mitkommen.
Oben auf dem Hügel setzen sie sich auf die Bank und verschnaufen.
Es brummt in seinem Kopf, die vielen Bilder arbeiten, die hektischen Flure auf Station, der helle OP, die Schwestern und Ärzte mit Mundschutz, die Schmerzen. Er seufzt.
Sie sitzen schweigend nebeneinander. Seine Frau hält seine Hand. Wie immer: still und aufmerksam.
Er hat ein Glück, denkt er.
Sie sitzen lange. Dann sagt er doch was. Dass er ganz zufrieden sein kann. Er hat ja alles, was wichtig ist. Vor allem: seine Familie. Dann spricht er nicht weiter. Aber sie versteht schon.
Sie schweigen. Die ersten Sterne kommen raus. Die helle Venus, der große Wagen, der Polarstern.
Da wird es langsam ruhiger in ihm. Der Himmel ist ja noch da. Das große Universum. Die Sterne, die Planeten, die fernen Galaxien – unendlich weiter Raum.
Da muss ein Gott sein, der das alles erfunden hat. So komplex, so erstaunlich. Da muss ein Gott sein, der den Menschen den Atem gibt.
Er atmet langsam ein und aus. Und fühlt sich verbunden.
Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.