06.09.2024
Privilegien

Gemeindecafé. Es ist jedes Mal eine anders bunte Gemeinde, die sich hier trifft. Heute soll es um „Privilegien“ gehen. Ich bin gespannt.

Das Frauen-Team hat Pflaumenkuchen gebacken. Es duftet nach Kaffee. Durch die Urlaubszeit sind nicht so viele gekommen wie sonst. Dafür sind wieder neue Gesichter dabei.

Auf dem Tisch liegen Kärtchen, auf denen Privilegien beschrieben werden. Privilegien, die scheinbar selbstverständlich sind.

Schnell kommen wir ins Gespräch.

Ich besitze ein eigenes Handy. Alle in der Runde nicken. Aber ist das ein Privileg? Wir sind uns nicht sicher. Auch wenn wir uns das Leben ganz ohne Handy kaum noch vorstellen können.

Ich werde nie auf meine Sprache angesprochen.

Dieses Privileg hat Helena nicht. Sie mag es überhaupt nicht, wenn sie immer wieder erklären muss, dass sie aus Kasachstan kommt. Sie wohnt doch schon so lange in Deutschland!

Meine Familie war nicht gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen.  

Doch, sagt Frau Schulz. Sie muss immer noch an die Flucht damals bei Kriegsende denken. Wie schlimm das war.

Und Erdal erzählt, wie er durch das Erdbeben in der Türkei alles verloren hat. Jetzt arbeitet er hier als Lehrer an einer Schule, wo viele Migrantenkinder sind. Er hört ihre Geschichten. Und kann mit ihnen mitfühlen. Erdal wischt mit der Hand eine Träne weg.

Es ist still geworden am Tisch. Das Schweigen verbindet uns. Wie dann auch der Segen, bei dem wir uns an den Händen halten.

Eine ruhige Nacht und Dankbarkeit für das, was nicht selbstverständlich ist, wünscht Angela Fuhrmann, ev. Pfarrerin in Gotha