Gedanken zur Nacht

Paule hat die Schnauze voll.
Aber so richtig.
Leicht hatte er es noch nie im Leben.
Von Kindesbeinen an haben es die anderen ihn spüren lassen:
Paule, du bist anders.
Du gehörst nicht zu uns.

Paule lebt mit dem Down-Syndrom.
Er ist ein lebensfroher Mensch, zugewandt,
Immer einen Spaß auf den Lippen.

Aber jetzt ist der Spaß vorbei.
Paule hatte sich angestrengt,
er hatte die theoriereduzierte Berufsausbildung geschafft,
hatte sich richtig ins Zeug gelegt.
Paule war beliebt unter den Kollegen.
Aber jetzt, jetzt soll es für ihn nicht mehr weitergehen.
Ausbildung schön und gut,
aber übernehmen wollen sie ihn nicht.
Das müsse man verstehen,
das sei wirtschaftlich nicht abzubilden.
Statt Paule zu übernehmen,
statt ihm eine Arbeit zu geben,
zahlen sie lieber eine Ausgleichsabgabe.

Paule versteht das nicht.
Warum zählen allein Leistung und Wirtschaftlichkeit?
Du bist, was du leistest.
Paule leistet doch was.
Warum ist es für Unternehmen immer noch billiger,
sich von der Aufgabe freizukaufen, als ihn zu beschäftigen?

Paule hat die Schnauze voll.
Er ist richtig ärgerlich, weil er so viel mehr geben könnte.
Jetzt hilft er hin und wieder mit in der örtlichen Tafel.
Rumsitzen – das ist nichts für ihn.
Paule lässt sich nicht unterkriegen
Und steckt die Menschen in der Tafel an mit seiner guten Laune!

Danke, Paule!
Dass Du nicht locker lässt!

Eine gute Nacht wünscht Pfarrer Ramón Seliger, evangelisch und aus Weimar