29.08.2022
Mercy und das seltsame Deutschland
„Wenn in Indien eine weiße Person kommt, will jeder ein Foto machen, weil alle denken: Oh ist die schön. Ich habe ein ganzes Fotobuch mit Weißen.“
So sagte es Mercy, eine junge Frau aus Indien, die hier in unserer Kirche ein Freiwilligenjahr gemacht hat, gestern im Gottesdienst.
„Ich dachte, ich bin hässlich,“ sagt sie. „Wir haben mit Cremes unsere Haut heller gemacht. Und jetzt bin ich hier und die Leute machen Fotos mit mir. Und hier findet man Cremes zum Braunwerden. Das hat eine große Bedeutung für mich, zu lernen: Du bist schön, du hast eine schöne Hautfarbe.“
In Indien gehört Mercy zur zweiten Kaste. Die lebt sehr privilegiert. Hier in Deutschland gibt es keine Kasten.
„Ich sollte den Tisch sauber machen – das habe ich noch nie gemacht in meinem Leben. Wo ich herkomme, da macht man keine Tische sauber. Ich habe geweint. Dann habe ich gesehen: Das ist normal. Jeder macht das. Sogar der Direktor macht das. Da habe gelernt, dass jeder gleich ist.“
Sie ist in unserer Region, weil von hier vor langer Zeit der Missionar kam, durch den ihre Gemeinde zuhause in Indien zum Christentum gekommen ist. „Von ihm haben wir Vertrauen in Gott gelernt.“
Was sie bei uns witzig findet: „Jeder heißt hier Christiane oder Sebastian, aber sie sind nicht christlich, obwohl sie so ganz christliche Namen haben. Da denkt man: Deutschland ist ein christliches Land. Hier habe ich gesehen, dass das nicht so ist.“
Gut, dass wir solche Kontakte haben, und über uns viel lernen können, findet Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.