26.12.2022
Geliebte Gurkentruppe

Heute waren sie wieder alle da. Sie haben bei ihm am Kaffeetisch gesessen. Sogar Tante Edda war dabei mit ihren 92 Jahren, und alle Nichten und Neffen. Es gab Kaffee und Stollen.

Viele Geschenke, viel Geschenkpapier, Klatsch und Tratsch und kleinere Debatten.

Auf seiner Schulter saß die ganze Zeit dieser fiese kleine, hartnäckige Perfektionismus. Der will immer mehr. Klügere Familienmitglieder, erfolgreichere, welche, die besser aussehen und mehr mitreden können. Stattdessen saßen hier untalentierte Möchte-gern-Bundestrainer und verkannte Schönheitsköniginnen. Was für eine Gurkentruppe!

Er hasste sie und er liebte sie.

Einzig seine Frau hatte den kleinen Teufel auf seiner Schulter erkannt und diesen Quälgeist vor die Tür geschickt: „He, Perfektionismus – es ist Weihnachten. Du bleibst mal schön draußen. Hier hast du nichts verloren. Das hier ist Familiensache. Kein Platz für überhöhte Ansprüche.“

Und dann hatte sie allen die Weihnachtsgeschichte erzählt. Von der Frau, ihrem Verlobten, dem Kind, das nicht von ihm war, in der fremden Stadt und in der schäbigen Herberge. Alles wunderbar unperfekt. Und dass man ausgerechnet sie ‚heilige Familie‘ nennt.

Weil Gott es genauso o.k. findet.

Wie er seine Frau dasitzen sieht, fällt ihm wieder ein, dass er sie liebt. Für ihre Geschichten, und dafür, dass sie seine Familie liebt. Und überhaupt.

Und dass es gut ist, Familie zu haben.

Unperfekt und – wer weiß – vielleicht ein bisschen heilig.

Eine Gute Nacht und eine schöne heilige Zeit wünscht Ihnen Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.