Gedanken zur Nacht

Die kleine Handyaufnahme ist Gold wert.
Wackelige Bilder von noch wackeligeren Schritten.
Momente festgehalten für die Ewigkeit.
Die ersten Schritte der Tochter.
Mit ihren gelben Strumpfhosen und den roten Spangen im Haar.
Wie sie sich jetzt langsam aufrichtet.
Mit rudernden Armen ringt sie um ein Gleichgewicht.
Sie wippt leicht nach vorn und nach hinten.
Jetzt läuft sie los.
Mit dem Kopf voran, aber die Beine wollen noch nicht recht hinterher.
Schon fällt sie um.
Das Video endet nicht, es läuft weiter.
Es zeigt, wie die Kleine sofort wiederaufsteht.
Dieses Mal nimmt sie die Beine mit.
Und es klappt!
Drei Schritte bis in die Arme der Mutter.
Die Augen weit aufgerissen.
Was für ein Staunen!
Hier endet das kleine Handyvideo.

Erstaunlich:
Das kleine Mädchen probiert es wieder und wieder, lässt sich nicht entmutigen.
Jeder Sturz macht ihre Schritte beim nächsten Versuch ein kleines bisschen sicherer.
Kein Sturz war umsonst.

Wer sagt eigentlich, dass das Laufen lernen irgendwann abgeschlossen ist?
Laufen lernen ist mitnichten Kindersache, denkt die Mutter heute.
Wenn Hinfallen und (Wieder-)Aufstehen zum Laufen lernen dazugehört,
dann lernen wir ein Leben lang.
Was zählt, ist nicht die Kurzstrecke,
sondern Ausdauer und Beharrlichkeit.
Immer wieder komme ich aus dem Gleichgewicht,
stolpere über die eigenen Füße.
Mal kommt mein Kopf nicht hinterher
und mal tragen die Füße aller Erfahrung zum Trotz.
Laufen lernen ist eben keine Kindersache.
Das Wiederaufstehen-Lernen gehört dazu.

Was immer dich gerade ins Wanken oder gar zu Fall bringt.
Probier‘ es einfach aus!
Steh wieder auf!
Am Ende wartet ein guter Gott, der dich in die Arme nimmt.

Eine gute Nacht wünscht Pfarrer Ramón Seliger, evangelisch und aus Weimar