02.01.2017
Ein menschliches Herz

Es war dieses eine Ereignis. Der Motorradunfall. Er schwer verletzt. Der Freund war ums Leben gekommen. Es war schrecklich. Er hatte ihn im Arm gehalten. Und laut geweint.
Es war dieses eine Ereignis, dass ihn umgekrempelt hat. Er war irgendwie sensibler geworden. Leiser. Viele Monate nah ans Wasser gebaut. Aber er hatte eine Freundin gefunden. Oder besser: sie ihn. Im Krankenhaus. Auf dem Gang. Er fand sich unerträglich, sie ihn süß. Er kam mit sich nicht zurecht. Nannte sich ‚Heulsuse’. Klar, ein Mann und Tränen – das schien nicht erlaubt zu sein. Sie nahm ihn extra gern in den Arm.
Mein Leben hat einen Riß bekommen, sagt er. Dein Leben ist anders geworden, sagte sie. Er mochte es, dass sie die Dinge so anders sah. Gütiger. Sie schien zu wissen, dass Leben nicht gegen dich ist, auch wenn dir Schlimmes passiert. Das Leben verändert dich. Verschließe nicht dein Herz, sagte sie gern. Er wusste nicht, was sie meinte. Aber: Ja, dieser Unfall hatte sein Herz verändert. Ihr zumindest konnte er es zeigen. Und er konnte ihr großes Herz sehen. Und er staunte darüber.
Ich will euch euer steinernes Herz nehmen, sagt Gott, und euch ein fleischernes geben.
So hatte er es gelesen. Irgendwie so war es. Das war wohl seine Lektion an dem Ganzen. Verschließe dein Herz nicht. Lebe. Mit Tränen, mit Wut, mit Lachen, mit Liebe.
Ja, Gott, ein menschliches Herz, das soll in mir wachsen.

Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.