19.01.2023
Der einsame Handkäse

„Darf’s sonst noch was sein?“, fragte die Verkäuferin an der Frischetheke den Mann neben mir. „Den einsamen Handkäse dort hätte ich gern“, sagte er und zeigte auf einen blassgelben Käse am Rand einer leergewordenen Platte. „Schön“, sagte die Verkäuferin, lächelte uns an und wickelte den Käse ein. „Dann ist er nicht so allein übers Wochenende.“ Aber ob’s ihm gefällt, dass er verspeist wird?, dachte ich. Oder ist er dann glücklich, weil er seine Bestimmung erreicht hat? Was denkt eigentlich so ein Handkäse, wenn er auf die Welt kommt? „Hoffentlich hat derjenige, der mich mal ißt, Zeit zum Genießen? Dass ich nicht bloß ende mit trocken Brot. Sondern mit Zwiebeln, etwas Öl und Kümmel … .“ Das alles dauerte in meinem Kopf nur Sekunden. Dann rief ich mich selbst zur Ordnung: Was ist los mit uns Menschen, dass wir unbelebten Dingen so gern ein Innenleben geben? Vom Computer sagen wir: Er will heute nicht – obwohl er gar keinen Willen hat und so weiter. Weil uns die Gegenstände manchmal an uns selbst erinnern? Die Verkäuferin, der Kunde und ich konnten jedenfalls gleich was anfangen mit dem Bild, das der einsame Handkäse bot. Der Käse ging uns zu Herzen – etwas absurd und auch nur kurz. Aber dass der Mensch mitfühlen kann, dass Dinge – sogar ein Stück Handkäs‘! – etwas in seinem Herzen berühren, finde ich großartig. Luther hat geschrieben: Pass auf, woran du dein Herz hängst. Das will ich auch machen. Aber dass ich es überhaupt irgendwo anhängen kann, das ist auch kostbar für mich.

Hängen Sie Ihr Herz doch mal irgendwo an, wo Sie etwas zum Schmunzeln bringt. Empfiehlt Ihnen Milina Reichardt-Hahn, evangelisch und Pfarrerin in Fambach