19.11.2022
Gedanken zur Woche – Totensonntag
An diesem Sonntag denken wir besonders an unsere Verstorbenen. Viele Gräber sind für den Winter vorbereitet und werden von Trauernden besucht. Manche stehen in einem Friedwald oder am Ufer des Meeres. Trauernde gehen ihren Erinnerungen nach an Menschen, die einmal da waren, deren Verlust schmerzhaft zu spüren ist und mit denen sie aber noch immer in Liebe verbunden sind. Auch der Verstorbenen der letzten Woche soll gedacht werden. Es sind Menschen im privaten Bereich, aber auch die, die in der Öffentlichkeit stehen: die beiden von einer Rakete getöteten Polen, die Soldaten und besonders die zivilen Opfer in vielen ukrainischen Städten, die den wahrscheinlich heftigsten russischen Angriffen seit Kriegsbeginn ausgesetzt waren. Versuchen wir uns hineinzuversetzen in Frauen, Männer und vor allem Kinder, deren Infrastruktur von Elektrik, Heizung und Wasser systematisch zerstört wird!
In der Bibel gibt es die Bitte an Gott: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu sein, kann klug machen. Klug ist, achtsam miteinander umzugehen. Klug ist, sein Leben zu ordnen. Klug ist, dass die Weltgemeinschaft in großer Mehrheit den russischen Krieg verurteilt hat. Klug ist ein Satz, der auf Transparenten in Leipzig zu lesen ist: „22 ist nicht 89. Wir leben in keiner Diktatur“. Ich bin dankbar für Menschen, die klug leben und handeln, die sich ihrer Verantwortung zum Schutz Anderer bewusst sind und nicht nur den eigenen Wohlstand sichern wollen, die aber auch ohne Angst ihre eigene Endlichkeit im Blick haben. Dies alles stärkt den Wert des Leben und den eines friedvollen Miteinanders.
Christian Sparsbrod
Pfarrer und Klinikseelsorger