06.05.2023
Gedanken zur Woche - Sternstunden

Kennen Sie das?

Ein ganz bestimmtes, vielleicht schon lange zurückliegendes Erlebnis klingt in Ihnen nach bis in die Gegenwart hinein, so daß es immer noch ihr Leben prägt und es sogar verändert hat und nicht nur eine schöne Erinnerung ist.

„Weichenstellungen“ im Leben befähigen Menschen zu großen Taten und bahnbrechenden Ideen.
Als Jugendlicher in der DDR habe ich so tolle Bücher gehabt wie „Die die Welt verändern halfen“ und „Der entscheidende Gedanke“. Da ging es um die Entdeckung der Neuen Welt, Erfindung des Telegraphen, Entwicklung des „Klassenbewußtseins“, Gründung des Roten Kreuzes und vieles mehr.

Nicht weniger spannend fand ich Erzählungen und Biographien, in denen berichtet wurde, wie Menschen ein „Schlüsselerlebnis“ hatten und dadurch verändert wurden.  

So heißt es von einem Grafen aus der Familie derer von Pückler („Pücklereis“), daß er während eines Gottesdienstes an einer bestimmten Stelle auf besondere Art ganz persönlich angesprochen wurde. Es waren Worte aus einer routinemäßigen Zeremonie beim Abendmahl, welches in der evangelischen Kirche neben der Taufe jenes andere Sakrament ist, das Jesus Christus eingesetzt hat, als er mit seinen Jüngern vor der Kreuzigung das „Letzte Abendmahl“ feierte und wo sinngemäß die Worte fielen, die auf diesen Grafen einen so ungeheuren Eindruck gemacht haben: ‚Für dich gegeben, für dich vergossen’. Unzählige Male hat er diese Worte gehört. Aber dieses eine Mal entfalteten sie eine geheimnisvolle Durchschlagskraft, derer er sich nicht entziehen konnte, als ob eine höhere Macht ihn überwältigte. Dabei nahm er gar nicht am Abendmahl teil und blieb wie sonst auch in der Bank sitzen.

Fortan bestimmte Christus sein Leben. Er verstand mit einem mal, was Christus ganz persönlich für ihn tat, welche Bedeutung er für uns, für die Welt hat und daß er in einer Reihe steht mit denen, „die die Welt verändern halfen“.
Ja, mehr noch, er hat die Welt mit ihrem Schöpfer versöhnt und bietet jedem, der an ihn und sein Erlösungswerk glaubt, das ewige Leben an kraft seiner Auferstehung.

Das Beispiel des Grafen mag wenig spektakulär erscheinen, ist es doch das Erleben eines einzelnen. Dennoch hat es eine gewisse Faszination, daß so etwas überhaupt möglich ist und daß sich mancher heimlich wünscht, ähnliches zu erleben.

Ich kann mich erinnern, wie mein Vater mich mal gefragt hat, ob ich den „Mann am Kreuz“ kenne. Das war wohl meine erste Begegnung mit dem „Gründer des Christentums“. Seitdem ist er mir wiederholt begegnet, in Christenlehre, Konfirmandenstunden, Gemeindeveranstaltungen, im Fernsehen, in der Literatur, Malerei und Musik.

Ein „durchschlagendes“ Erlebnis hatte ich nach etlichen Chorproben zu Beethovens „Missa solemnis“. Ein einziger Klang in dieser sehr umfangreichen Messe schlug ein wie eine Bombe und erschloß von diesem einen Punkt aus das ganze Werk, welches immerhin anderthalb Stunden dauert! Ich habe diese Stelle, die von der Auferstehung Christi handelt, danach immer wieder gehört, aber niemals wieder mit auch nur annähernd gleichem Empfinden wie damals. Klar, ich weiß nun, was da kommt, aber es hat seine elementare Wirkung gehabt wie auch so manch anderes Erlebnis, bei dem ich den „Mann am Kreuz“ immer besser kennenlernte.

Kennen Sie den?