30.06.2022
Gedanken zur Woche

Es ist Sommerzeit – Zeit des Reisens und der Feste. Schön, wenn wir auch eingeladen werden und Zeit haben, die Einladung wahrzunehmen. Morgen wird in den Gottesdiensten das Gleichnis von dem Vater mit den beiden Söhnen verlesen (Lukas 15, 11 – 32). Der eine Sohn zieht hinaus in die Welt und bringt bereits zu Lebzeiten sein Erbe durch. Er kehrt mit leeren Händen nach Hause zurück in die offenen Arme seines Vaters. Der andere Sohn ist zu Hause geblieben und treu seinen Pflichten nachgekommen. Am Freudenfest der Heimkehr will er nicht teilnehmen.

“Wie ist Gott?“ Ja, das ist die Frage. Wie kann man von Gott reden? Welche Worte „passen“? „Wenn die ganze Bibel verloren ginge, und es bliebe nur dies Gleichnis übrig, so wäre alles gerettet.” Martin Luther

Der Maler Domenico Feti (1589-1623) hatte in seinem Atelier in Düsseldorf ein fast fertiges Altarbild mit der Kreuzigung Jesu stehen, als er ein junges Mädchen mit ihren schwarzen Haaren, der braunen Haut und einem roten Kleid als Tänzerin malte. Dreimal die Woche kam Pepita und stand dem Maler Modell. Da sah sie das Kreuzigungsbild, und betroffen fragte sie den Meister, wer da so gequält leiden müsste. Domenico Feti erzählte dem Mädchen mehr widerwillig die ganze Geschichte von der Liebe Jesu zu den Menschen, mit der der Gekreuzigte die Schuld und Verlorenheit der Welt trug.Als der Maler das Bild mit der spanischen Tänzerin vollendet hatte, bezahlte er das Mädchen. Pepita schaute noch einmal auf das Kreuzigungsbild, dann auf den Künstler und sagte: „Meister, Ihr liebt ihn doch sehr, weil er das alles für Euch getan hat?” Domenico Feti schämte sich. Daran hatte er noch nie gedacht. Aber nun wurde er die Frage nicht mehr los. „Ihr liebt ihn doch sehr?” Er kam nicht mehr zur Ruhe, konnte kaum noch arbeiten und suchte nach einer Antwort. Schließlich ging er in eine christliche Versammlung, lieh sich ein Neues Testament und kam zum lebendigen Glauben an Jesus.- Nun malte er noch einmal ein Kreuzigungsbild aus Liebe zu Jesus. Das Bild sollte die unendliche Liebe Jesu verkündigen und den Betrachter zu einer Antwort herausfordern. Darum schrieb er unter das Bild die Worte: „Das tat ich für dich - was tust du für mich?” Er wollte das Bild nicht verkaufen und schenkte es der Stadt Düsseldorf. Dort in der Galerie hat es unzähligen Menschen die Liebe Jesu vor Augen gemalt. - Etwa hundert Jahre später fuhr ein junger Graf nach Paris, und während seine Kutschpferde gefüttert wurden, besuchte der fröhliche und bildungshungrige Graf die Galerie. Lange stand er schließlich vor dem Kreuzigungsbild von Domenico Feti und wurde die Frage nicht mehr los: „Das tat ich für dich - was tust du für mich?” Die Liebe Christi ergriff ihn so nachhaltig, dass er von da an sein Leben, seinen Adel, sein Vermögen und sein Wissen Christus weihte, der das Leben für ihn am Kreuz gab. Es war Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, der Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine.

Das Bild von Domenico Feti hängt heute in der Alten Pinakothek in München, und noch immer fragt uns der leidende Christus: „Das tat ich für dich - was tust du für mich?”

Wenn der jüngere Sohn die geöffneten Arme genossen hat – vielleicht geht dann die Geschichte so weiter: er sucht seinen großen Bruder, findet ihn wütend irgendwo in einem Schuppen und sagt: Mensch, wie ist unser Vater? Wie ist Gott? „Gnädig und barmherzig ist er, geduldig und von großer Güte.“ (Psalm 103,8) – In Jesus zeigt er uns seine ganze Liebe. Auch wir sind eingeladen zum Freudenfest des Glaubens.

Pfarrer Günter Dimmler, Königsee