09.12.2020
Brief des Superintendenten zum Advent

Liebe Schwestern und Brüder, der Beginn des neuen Kirchenjahres stellt uns gemeinsam vor besondere Herausforderungen. Gewohntes ist nicht möglich, jeder einzelne Schritt soll wohl bedacht sein. Mir ist es wichtig, mit Ihnen gemeinsam, alle diese Schritte im Vertrauen zu Gott zu gehen. Eine tiefe Unruhe hat unsere Gesellschaft erfasst. Manche begegnen ihr mit Lethargie, andere mit düsteren Vermutungen und wieder andere mit Gelassenheit. Vor uns als Christen, die wir gemeinsam im Dienst der Verkündigung stehen, steht die Frage, inwieweit wir aus unserem persönlichen Glauben die Kraft gewinnen, für die Menschen in unseren Gemeinden Hilfe und Orientierung zu bieten. Auch unsere Herzen sind in diesen Tagen oft schwer. Wenn wir Adventsfeiern absagen müssen, wenn wir nicht mit den Chören singen können, wenn so viele Dinge, die für uns in dieser Zeit wichtig sind, nicht möglich sind. Unruhe erfasst uns, wenn in unserem Umfeld Menschen in Quarantäne gehen oder gar an der Pandemie erkranken. Das ist, auch für uns als Christen, völlig normal. Entspringen Sorge und Angst doch nicht der Sorge um uns selbst, sondern der Furcht, dem Dienst an den Mitmenschen nicht gerecht werden zu können. Dieser Leistungsgedanke unserer Gesellschaft sollte uns nicht beherrschen. Vieles von dem, was wir tun, geschieht im Verborgenen. Auch unseren Augen bleibt Vieles, was unser Dienst bewirkt, verborgen. Manchmal leuchtet es dann auf. Mir, der ich schon etwas länger im Dienst bin, ging es so, als ich einen jungen Mann traf, den ich getauft hatte. Sein Vater war im Konfirmandenunterricht eher ein Problemfall gewesen. Nun war die Familie eine feste Stütze der Gemeinde. Sein Sohn sollte mich herzlich grüßen. Aus diesem Blick auf die Gegenwart veränderte sich mein Blick auf die Vergangenheit. Und es wuchs in mir die Hoffnung, dass möglicherweise auch an anderen Stellen unserer Arbeit als Kirche mehr zu erwarten ist, als wir sehen und evaluieren können. Weil wir unsere Arbeit nicht allein tun. Weil der Herr das seine tut. Das Gleichnis vom Sämann gilt uns allen. Einerseits sind wir als Christen alle Samenkörner, aus denen das Reich Gottes und seine Kirche wächst, andererseits sind wir als Christen auch die, welche Samen streuen. Das Wachsen geschieht im Verborgenen. Manchmal wissen wir nicht mehr genau, ob nun der richtige Samen am richtigen Ort gelandet ist. Mich lässt es immer wieder staunen, an welchen Stellen in unserer Gesellschaft ich Menschen treffe, deren Glaube aus diesem Samen gewachsen ist.

Gott lässt uns nicht allein. Er kommt. Adventus Domini, die Ankunft des Herrn, die eigentliche Bezeichnung der Zeit in der wir uns auf dieses Kommen vorbereiten, ist in diesem Jahr anders. Nicht so laut und manchmal einsamer. In einer gewissen Unklarheit schauen wir Weihnachten entgegen. Dabei ist der Morgenstern schon zu sehen. Sein Leuchten kündigt mit Gewissheit an, das Gott kommt.

Gottes Gegenwart lässt uns die Vergangenheit in anderem Licht erinnern und schenkt uns Hoffnung, mehr zu erwarten, als unseren Augen sichtbar ist.

Mit adventlichen Grüßen

Ihr
Michael Wegner

- Superintendent -