10.04.2017
Wohin mit der Angst

„Hier stehe ich und kann nicht anders!“ Mit diesen Worten soll Martin Luther 1521 auf dem Reichstag in Worms seine Rede beendet haben. Er sollte seine Schriften widerrufen. Er tat es nicht. Ein Mann, ein Wort. Klar, widerständig, ohne Angst vor denen, die die Macht hatten. Manche wollen das in diesem Jahr feiern. Einen Mann der Tat. Der große starke Reformator. Ein Held.
Ich werde da unruhig. Wer Helden braucht und Menschen auf Sockel stellt, macht sich selbst klein.
Ich will Luther nicht als Helden feiern. Ich will etwas anderes von ihm lernen.
Ich sehe den Mann, der von seinen Ängsten redet, von der Angst, im Bodenlosen zu versinken, von der Angst nicht genügen zu können. Von der Angst, die ihm den Atem genommen hat, dem Mann, dem Mönch, dem Professor.
In der Nacht vor dem entscheidenden Auftritt in Worms soll er gebetet haben, mit Seufzen und Schreien. Der, der zu versinken drohte, ruft in seiner Angst zu dem, der auch keinen Boden unter den Füßen hat: dem Jesus am Kreuz: „Du sollst mein Schutz und Schirm sein, ja meine feste Burg.“
Er legt die Angst in die gefalteten Hände. In dieser Haltung kommt er zu Atem. Als er sich selbst eingesteht, ich muss das hier nicht reißen, ich muss nicht Held sein, ich muss nicht vollkommen sein, ich darf halb sein, da entsteht Raum für Gottes Kraft. Das, was ich nicht vermag, das erbitte ich von Gott, mit Worten vom holländischen Liederdichter Huub Oosterhuis:
„Sprich du das Wort, das tröstet und befreit
und das mich führt in deinen großen Frieden.
Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst.
Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.“
Dass auch sie ihre Angst in ein Gebet packen können, wünscht Ihnen Pfarrerin Dorothee Land von der evangelischen Kirche aus Erfurt