17.03.2023
Verhüllung

Anne stutzt. Das Kreuz ist nicht zu sehen?

In der Kirche hängt jetzt davor ein großes, bemaltes Tuch aus Nesselstoff. Darauf sind Rechtecke zu sehen. Rechtecke in Violett, Silber, Blau und Rot, und ein schwarzes Dreieck. Anne hat zwar von der „Verhüllung“ gehört - ein Kunstprojekt in der Passionszeit. Aber so hat sie sich das nicht vorgestellt.

Sie ist an das Kreuz gewöhnt. Es hängt schon immer dort, seit sie denken kann. Als Kind fand sie den Anblick schrecklich. Bis ihr  

die Oma einmal erzählt hat, wie dieser Jesus trösten kann. Weil er mitfühlt, wenn du leidest und traurig bist.

Annes Oma hatte auch davon geredet, dass das Kreuz seit Ostern ein Lebenszeichen ist. Ein Hoffnungszeichen für neues, ewiges Leben.

Anne hat da so ihre Zweifel... Aber an das Kreuz hat sie sich gewöhnt.

Und seitdem ihr Bruder so krank ist, kommt sie öfter hierher. Sie braucht jetzt einen Tröster, der mit ihr mitfühlt.

Wie immer setzt sich Anne in die letzte Bank. Schließt erst mal die Augen. Lauscht auf die Stille...

Dann schaut sie nach vorn. Lässt es so sein, wie es jetzt ist. Lässt die Farben auf sich wirken: Violett – Himmelsblau – Silberstreif – Rot...

Dahinter ist ja das Kreuz, denkt sie. Und dieser Gedanke beruhigt sie.

Hinter allem ist ja Mitgefühl und Trost.

Und dann – dann fällt ihr das Dreieck auf. Zwischen Violett und Hellblau ein schwarzes Dreieck – ist das nicht sowas wie ein Schatten? Der Schatten einer Tür, die sich öffnet?

Mit einem Lächeln zündet sie eine Kerze an für den Bruder: Vielleicht gibt es ja doch so eine Tür zu neuem Leben, zu ewigem Leben? 

Eine gute Nacht und Hoffnung ohne Ende

wünscht Angela Fuhrmann, ev. Pfarrerin in Gotha