27.03.2018
Unverschämte Tränen

So richtig versteh ich das nicht. Wieso Menschen meinen, sich entschuldigen zu müssen, wenn sie weinen. Wir entschuldigen uns doch auch nicht, wenn wir lachen. Wieso dann also sich entschuldigen beim Weinen?

Im Bus sitzt mir ein junges Mädchen gegenüber. Erst denke ich, sie hat Schnupfen. Dann sehe ich ihre Augen, die aufs Handy starren. Offenbar Stille am anderen Ende der Leitung. Keine Nachricht. Kein Signal für den Eingang einer SMS. Sie kann die Tränen nun nicht mehr zurückhalten. Sie schnieft und schnäuzt sich. Und sieht mich fast entschuldigend an. Ich lächle vorsichtig. Will ihr sagen: Ja, manchmal ist das Leben wirklich super traurig.

Ein Mann erzählt mir, dass er schon jahrelang nicht mehr geweint hat. Und darauf sei er keineswegs stolz. Es wäre viel besser, wenn das endlich mal käme.

Mir ist diese Offenheit sympathisch. Genauso sympathisch wie Jesus, der weinen kann. Wie mir die Bibel erzählt. Über Jerusalem, diese so fürchterlich angegriffene Stadt, die eigentlich eine Perle des Friedens sein sollte. Da lese ich: „Als er die Stadt sah, weinte er über sie und sagte: Wenn du doch erkennen würdest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient.“

Ich kenne beides. Dass mich Leid anrührt und ich fast mitweinen muss. Und dass ich mich innerlich hart mache, damit es mich nicht berührt. An diesem Abend denke ich dankbar: Jesus weint, gottlob. Und es ist offenbar so wichtig, dass es aufgeschrieben ist Und so wenig peinlich. So wunderbar menschlich. Heute Abend tröstet mich das.

Schlafen Sie gut und getrost. Das wünscht Ihnen Pastorin Theresa Rinecker aus Weimar