05.01.2016
Trostland
„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
Göttliche Worte für das neue Jahr. Eine Art Überschrift für alles, was vor uns liegt wie ein unbekanntes Land.
Ehrlich gesagt: Ich bin zum Jahreswechsel immer bisschen dünnhäutig und trostbedürftig. Tu mich schwer mit neuen Jahren, mit unbekannten Ländern.
Und 2016 – das fühlt sich noch ganz schön fremd an, finde ich. Auch wenn die ersten Schritte bereits gegangen sind. Die ersten vier Tages-Etappen.
Ich frage mich doch: Was wird dieses Jahr bringen? Wird es ein Trost-Land werden für alle, die das vergangene Jahr als Jahr des Schreckens erlebt haben? Ein Trost-Land für Schwerst-Kranke und ihre Familien? Ein Trost-Land für die Gescheiterten? Ein Trost-Land für Heimatlose?
Ich wünsche das der netten Frau, die seit Wochen eine Chemo nach der anderen bekommt.
Ich wünsche das dem Schüler, der im Sommer sein Abi verhauen hat.
Und ich wünsche das der kurdischen Familie, die sich davor fürchtet, abgeschoben zu werden. Dahin, wo gerade ihr Freund, ein prominenter Musiker, erschossen wurde. Auf offener Straße. Als
er ein kurdisches Lied gesungen hat.
Weil wir gerade bei meinen Neujahrs-Wünschen sind:
Ich wünsche mir statt der Kriegsberichte im Fernsehen viel mehr Trost-Nachrichten, ja!
Ich wünsche mir, dass in den Zeitungen nichts mehr von Brandanschlägen zu lesen ist.
Und dass sich die hässlichen menschenverachtenden Sprüche auf unseren Straßen in Friedenslieder verwandeln.
Wünschen allein reicht nicht aus, ich weiß. Deshalb packe ich meine Wünsche in Gebete: Ja, du großer, mütterlicher Gott! Lege im neuen Jahr deine Arme schützend um deine Menschenkinder. Besonders da, wo wir nicht ganz bei Trost sind. Amen.
Ihnen wünsch ich ein gutes neues Jahr und eine gute Nacht!
Ihre Angela Fuhrmann,
Pfarrerin von der Ev. Kirche in Gotha