Gedanken zur Nacht

Sie trafen sich in der Kirche wieder. Seit vielen, vielen Jahren das erste Mal. Wie erwachsen er inzwischen geworden ist! Klar, sie war ja auch nicht mehr die Jüngste...
Die Kinderärztin erkannte Max sofort wieder. Er war ja lange eins ihrer besonderen Sorgenkinder gewesen. Aber jetzt ... jetzt strahlte er solche Lebensfreude aus!

Sie hatten sich viel zu erzählen. Auch wenn Max nicht besonders deutlich spricht – die beiden verstanden sich gut. Max erzählte und erzählte. Von seinen Freunden, von der Werkstatt, von seinem schönen Zimmer im neuen Wohnheim. Bereitwillig beantwortete er alle Fragen. Er machte einen guten Eindruck.

Nur die Kleidung sah merkwürdig aus: Die Hose ausgebeult, die Jacke viel zu dünn bei den Temperaturen...
Sie zögerte nicht lange – beide vereinbarten für den nächsten Tag einen Bummel durchs Modekaufhaus. Und sie holte ihn gleich vor seinem Wohnheim ab. Diesmal hatte er sich schick gemacht, auf seine Weise: mit einem gelben Gürtel.
Der Einkauf machte ihr echt Spaß. Max zeigte sich als modebewusst und betrachtete sich fröhlich in dem großen Spiegel. Die Verkäuferin hatte Geduld und viel Verständnis. Bis Max strahlend loszog, mit einer großen Tasche, die neue Jacke behielt er gleich an.

Sie schaute ihm noch eine Weile nach, bevor sie nach Hause ging. Mit einem Lächeln im Gesicht. Und mit leichten Schritten.

Eine gute Nacht und morgen ein Herz für den Nächsten
wünscht Angela Fuhrmann, evangelische Pfarrerin in Gotha.