25.06.2018
Lilien

Wie Schön!

Die Knospen sind schon lange zu sehen. Jeden Tag geht er durch den Garten und freut sich daran. Jetzt sind die ersten Blüten der Taglilien aufgegangen, jeden Tag werden es jetzt mehr. Jeden Morgen ein Anlass sie zu bestaunen. „Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.“ Das sagt Jesus in der Bergpredigt über die Lilien.

In der Tat ist es eine Herrlichkeit und macht ihn glücklich, die Lilien anzuschauen mit ihrer Schönheit. Die großen Blüten leuchten und mit den weit geöffneten, schmalen Kelchblättern und dem langen Stempel sind sie tatsächlich prächtig „gekleidet“. Und am nächsten Tag ist die Blüte vergangen, andere übernehmen ihr Leuchten. Die Prachtvolle von gestern hält die kraftlosen Kelchblätter zusammen, dreht sie fast ineinander. Vergangene Herrlichkeit. Schade drum.

Die Frage liegt ihm auf der Zunge: Lohnt sich alles Wachsen-Lassen und zum Blühen-Bringen für nur einen Tag? Die Taglilie antwortet seit Jahrhunderten auch in Europa mit pflegeleichter Beständigkeit. Immer bringt sie die Blüten für nur einen Tag hervor.

Lohnt sich mein Einsatz? Lohnt es sich überhaupt aufzustehen? In Zeiten, wo unsere Welt voll ist von immer neuen, unbeständigen, bedrohlichen Nachrichten, hat die Lilie etwas Wohltuendes: Schönheit lohnt sich für nur einen Tag. Um Nutzen geht es nicht. Die Lilie präsentiert sich täglich in anderer Konstellation: Ein kurzes Leben.

Und mindestens das gilt ja auch für uns Menschen, denkt er sich: Egal, ob mein Leben lang oder kurz währt, so kann ich ihm doch nicht die Zeit hinzufügen, die ich mir wünsche. Krankheit und Tod lassen einen welken wie die Blüten. Wie gut, wenn ich diesen heutigen Tag für gelungen und schön halten kann vor dem, der mich ins Leben rief.

Dass auch Sie das über Ihren Tag heute sagen können wünscht Ihnen

Pfarrerin Elisabeth Wedding aus Jena