01.06.2023
Blütenregen

Irgendwie war er in Gedanken. Er hatte das Radio laufen, die Musik war gut, so fährt es sich leichter, so kommt er schneller heim. Als er in seine Stadt kommt, hat er die Fenster heruntergefahren. Etwas frische Luft. Esduftet. Was ist das? Jasmin? Flieder? Er fährt durch die Kastanienallee. Vollste Blüte. Wow, was für ein Zauber. Die blaue Stunde färbt seineStadt in ein märchenhaftes Licht, die Blüten leuchten. Doch dann erschrickt er.Für einen Moment sieht er – wie in einem Horrorfilm – dieselbe Allee, dieselben Bäume – nur ohne Blätter. In schwarzweiß. Entlaubt – durch irgendeinen Käfer. Durch Klimaschwankung, durch Abgase. Wenn die Bäume aufgeben. Ein böser Traum.Dann – zack –ist wieder das richtige Bild da: das satte Grün der Kastanien, die zauberhaften Blüten in weiß und rosa. Mein Gott, wie schön! Was für ein Zauber! Früher ist hier einfach langgefahren – nach Hause. Halt eine einfache Straße entlang. Jetzt ist er dankbar. Für das Grün, für die Blüten, dafür, dass die Natur die Hoffnung offensichtlich noch nicht aufgegeben hat.Dass es eine wunderbare Kraft gibt, die immer und immer wieder neues Leben erschafft. Phantasievoll und überschwänglich.Ein kleiner Wind streift durch die Straße, Blüten wirbeln durch die Luft.Er atmet den Duft tief ein. Gleich da. Dank sei Gott.

Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche