25.11.2021
Bloß eine Kerze

Gerade abends braucht sie ein warmes, lebendiges Licht. Eine Kerze. Die steht auf dem Couchtisch. Die Kinder lästern immer schon: Du und deine Kerzen. Aber sie braucht das. Ein Licht kann die ganze Dunkelheit verändern.

Und sie liebt es, ganz bescheiden anzufangen. Eine Kerze im Wohnzimmer. Und dann langsam steigern. Dem Licht mehr Raum geben. Weil es im Leben ja auch nie auf einen Schlag hell wird. Weil jede Veränderung Zeit braucht.

Die Nachbarn haben schon volle Weihnachtsbeleuchtung. Tausende LED-Lämpchen, beleuchtete Rentiere, glitzernde Sterne.

Das findet sie zu viel. Am Wochenende beginnt ja erst der Advent. Er beginnt langsam. Ein Licht. Dann ein zweites. Immer schön gemach.

Auch die Hoffnung ist langsam. Darauf, dass ein anderes Leben möglich ist. Eines, wo alle Dinge in Ordnung kommen. Wo die Welt langsam hell und freundlich wird. Wo die Leisen gehört werden, die Verwundeten behandelt. Wo die Wahrheit beim Namen genannt wird.

Wir leben noch nicht im vollen Licht. Wir sind auf dem Weg. Aber eines Tages, das glaubt sie sicher, eines Tages wird es soweit sein. Da werden wir alle die Schatten hinter uns gelassen haben. Da wird ein heller Festsaal sein, Gott wird da sein, es wird alles gut sein.

Dafür brennt hier ihre Kerze und wärmt ihre Seele.

Eine warme Nacht wünscht ihnen Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.